Mitarbeiterbindung: Einfach mehr Gehalt?

Literatur Personalstrategie

Mitarbeiterbindung durch Gehalt: Einfach mehr zahlen?

Wie Betriebe des Mittelstands erfolgreich verhindern, dass ihre Mitarbeiter zu den Großkonzernen gehen

Mitarbeiterbindung durch Gehalt
Mitarbeiterbindung durch Gehalt

„Dann zahlt halt besser“ betitelt die Financial Times Deutschland (FTD) in der Wochenendausgabe ihre Seite-Eins-Kolumne. Mitarbeiterbindung durch Gehalt – ist das wirklich so einfach?

Im FTD-Artikel geht es um das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) über die Abwerbung von Managern mit dem Ziel, einen Wettbewerber zu schädigen. Konkret soll Bilfinger Berger rund 50 Mitarbeiter des Wettbewerbers Heilit + Woerner systematisch abgeworben haben. Den Schaden bezifferte Heilit + Woerner auf 46 Mio. Euro.

Das UWG als zahnloser Tiger

In seinem Urteil folgte das BAG weitgehend der Begründung der Vorinstanz: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte die Klage abgewiesen, obwohl es eine Wettbewerbsverletzung durchaus erkannte. LAG und BAG konstatieren unisono, Bilfinger Berger habe sich wettbewerbswidrig verhalten. Und doch bleibt der Rechtsverstoß ohne Folgen für den Schädiger. Der Grund: Beide Gerichte sahen sich außerstande, den Zusammenhang zwischen den Abwerbungen und den eingetretenen Verlusten sowie die Berechnungen des entstanden Schadens nachzuvollziehen.

Schauen wir uns den Fall also genauer an: Heilit + Woerner ist auf den Verkehrswegebau spezialisiert. Als 2005 über das Vermögen von Walter-Bau, der Muttergesellschaft von Walter-Heilit, das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, versuchte Bilfinger Berger vergeblich, Walter-Heilit zu erwerben. Nach dem Verkauf von Walter-Heilit an Strabag und der Umfirmierung in Heilit + Woerner gründete Bilfinger Berger selbst ein Unternehmen für Verkehrswegebau und warb hierfür rund 50 Heilit + Woerner-Manager ab.

Schaden ja, Schadenersatz nein

Die Vorgehensweise: Ein ehemaliger Walter-Bau-Manager stellte den Kontakt zu Niederlassungsleitern her, die sodann von Bilfinger Berger vorgefertigte Formulare mit Einstellungszusagen erhielten. „Danach fiel Heilit + Woerner wie ein Stück Blei vom Himmel“, konstatiert Strabags Jurist Michael Lück laut FTD. Er ersieht hierin einen Verstoß gegen das UWG und forderte Schadensersatz für eingetretene Verluste in den Jahren 2005 und 2006.

Was hieran ist in Gottes Namen nicht nachvollziehbar? Warum in Gottes Namen nutzen die Gerichte nicht die gesetzlich gebotene Möglichkeit, den Schaden zu schätzen? Es gibt im gewerblichen Rechtsschutz ausreichend viele, fundierte Methoden der Schadensbestimmung, auch bei fiktiven Schäden. Aber das BAG lässt verlautbaren: „Für die Schätzung eines Schadens benötigt der Richter greifbare Anhaltspunkte; eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens lässt § 287 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht zu.“ Judex non calculat – Gerichte (wollen) nicht rechnen.

Keine Alternative zu Mitarbeiterbindung

Apropos Gott: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ sagt der Volksmund. Der muss wohl wieder einmal einem Gericht die Augen verbunden haben. Warum landete der Fall überhaupt bei den für ihre zwischen Weltfremdheit und Arbeitgeberunfreundlichkeit pendelnden Ansichten bekannten Arbeitsgerichten, und nicht zu ordentlichen Gerichten? Schuld daran tragen Zuständigkeits-Beschlüsses wie die des Berliner Zivilsenats: Ein aus abgeworbenen Mitarbeitern gegründetes Unternehmen gilt als Rechtsnachfolger der Arbeitnehmer, also ab zum Arbeitsgericht mit dem Fall.

Zurück zur FTD und der Empfehlung des Kolumnisten, zur Stärkung der Mitarbeiterbindung „dann eben besser zu zahlen“. Mitarbeiterbindung durch Gehalt… Die Folge einer sich rapide drehenden Gehaltsspirale, die am Ende kein mittelständisches Unternehmen gegen ein Großunternehmen gewinnen kann, nimmt er offensichtlich billigend in Kauf. Hoffentlich war es nicht derselbe Kolumnist, der sich einige Monate zuvor über die überzogenen Managergehälter echauffiert hat.

Ist Mitarbeiterloyalität käuflich?

Dafür zieht er den Vergleich mit dem Profifußball an den Haaren herbei: Auch hier würden schließlich finanzstarke Vereine die besten Kicker mit dem Ziel kaufen, dass die anderen Vereine künftig schlechtere Ergebnisse erzielen. Dass das nicht fair ist, erkennt indes selbst der FTD-Kolumnist. Das aber bei Profifußballer gänzlich andere Arbeitsverträge gelten und am Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine hohe Ablösesumme steht, die – aufgemerkt! – dem Arbeitgeber zufällt, entgeht seinem unkritischen Auge.

Wie auch immer: Das Urteil des BAG ist gesprochen, die Mittelständler in Deutschland müssen damit leben. Das UWG regelt ohnehin nur das Verhalten der Wettbewerber am Absatzmarkt, nicht das von Wettbewerbern am Arbeitsmarkt. Für den „Klassiker“, das Absaugen von guten Mitarbeitern durch übermächtige Kunden, beispielsweise aus Automotive-Unternehmen durch Automobilkonzerne, kann das UWG per se nichts tun.

Bei Mitarbeiterbindung auf andere Aspekte bauen

Dass endlos höhere Gehälter nicht das Mittel ist, mit dem sich Mittelständler im Konkurrenzkampf um Top-Performer und High Potentials gegen die Großen durchsetzen können, wissen die Chefs der KMU schon lange. „Dann zahlt eben besser“ mag in ihren Ohren wie Hohn geklungen haben.

Für Noch-Außenstehende, beispielsweise potenzielle Bewerber, sind die angebotenen Gehälter zweifellos ein wichtiges Entscheidungskriterium. Doch nicht das einzige! Und bei bereits beschäftigten Mitarbeitern liegen die Prioritäten ohnehin etwas anders: Deren Loyalität kann man nicht kaufen.

Mitarbeiterbindung durch Gehalt ist Unsinn

Der Mittelstand kann hier entscheidend punkten: Mit einer in Konzernen undenkbaren Nähe zur Unternehmensleitung, mit kürzeren Entscheidungswegen, mit weitergehenden Verantwortungs- und Handlungsspielräumen, mit höherem Vertrauen der Führungsriege in die Belegschaft, mit starker Betonung von Nachhaltigkeit, mit wertorientierter und menschlicherer Unternehmensführung, mit engagierteren Kollegen u.v.m.

Aspekte, die von mittelständischen Unternehmen gezielt gestärkt und dann auch zum Zwecke der internen Mitarbeiterbindung und der externen Personalgewinnung deutlich herausgestellt werden müssen. Was kann ein mittelständisches Unternehmen konkret tun, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben? Gunther Wolf wird bei seinen Seminaren zu diesem Thema – das nächste ist am 19.-20. November in Berlin – aus aktuellem Anlass auch hierauf einen Schwerpunkt legen.

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Lesenswert.

Erfolgsfaktor Mitarbeiterbindung – Employer Branding: Wahre Schönheit kommt von innen, in: Arbeit und Arbeitsrecht 08. Berlin: Huss-Medien Verlag. Download bei Gunther Wolfs Leadership Literatur.

Der Verfahrensgang: ArbG Düsseldorf, 09.06.2008 (3 (8) Ca 336/06), LAG Düsseldorf, 23.02.2010 (17 Sa 1133/08) und schließlich BAG, 26.09.2012 (10 AZR 370/10).

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